

Stopp von US-Waffenlieferungen sorgt für Verunsicherung in Kiew und Jubel in Moskau
Der von den USA angekündigte Stopp einiger wichtiger Waffenlieferungen an die Ukraine hat in Kiew große Besorgnis ausgelöst. Jede Einschränkung oder Verzögerung bei der militärischen Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen die russischen Truppen werde "den Aggressor nur dazu ermutigen, den Krieg fortzusetzen", erklärte das ukrainische Außenministerium am Mittwoch. Kiew kündigte an, sich um eine "Klärung der Situation" zu bemühen. Der Kreml reagierte mit Genugtuung auf die Ankündigung aus Washington.
Der Lieferstopp betrifft US-Militärhilfen, die der Ukraine noch von Ex-Präsident Joe Biden zugesagt worden waren. "Diese Entscheidung wurde getroffen, um die Interessen Amerikas an erste Stelle zu setzen, nachdem das Verteidigungsministerium die militärische Unterstützung und Hilfe unseres Landes für andere Länder auf der ganzen Welt überprüft hat", erklärte die Vize-Sprecherin des Weißen Hauses, Anna Kelly, in einer E-Mail an die Nachrichtenagentur AFP.
Nach Angaben von "Politico" und anderen US-Medien erhält Kiew wegen des Lieferstopps nun vorerst keine neuen Raketen für Flugabwehrsysteme vom Typ Patriot. Zudem betreffe die Maßnahme Präzisionsartillerie und Granaten.
Zuvor hatten US-Medien berichtet, dass Washington angesichts eines Rückgangs seiner eigenen Munitionsbestände besorgt sei. Laut "Politico" erkläre ein US-Beamter, der anonym bleiben wollte, eine Überprüfung durch das Pentagon habe ergeben, dass die Bestände einiger der Ukraine zugesagter Waffen zu gering geworden seien, und dass einige anstehende Lieferungen nun nicht verschickt würden.
In der Ukraine gibt es seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump im Januar Befürchtungen, dass die USA ihre Hilfe einstellen könnten. Der Rechtspopulist, der sich Moskau angenähert hat, hatte die Milliarden-Hilfen für Kiew stets kritisch beurteilt.
Bislang hat Trumps Regierung trotz der zeitweise konfliktreichen Beziehung zu Kiew die unter Biden eingeleitete Militärhilfe für die Ukraine zumindest in Teilen weiter fortgeführt. Während der Amtszeit Bidens hatten die USA der Ukraine Militärhilfen im Wert von mehr als 60 Milliarden Dollar (rund 51 Milliarden Euro) geliefert. Seit dem Amtsantritt Trumps, der Kiew und Moskau zu direkten Gesprächen bewegt hatte, hat die US-Regierung keine neuen Hilfspakete angekündigt.
Der nun angekündigte Lieferstopp traf die Ukraine unvorbereitet. Das Verteidigungsministerium in Kiew erklärte am Mittwoch, es habe keine offizielle Benachrichtigung erhalten über eine "Aussetzung oder Überarbeitung der Lieferpläne für die vereinbarte Verteidigungshilfe". Der ukrainische Präsidentenberater Dmytro Lytwyn sagte, Kiew bemühe sich um eine "Klärung der Situation". Er gehe davon aus, "dass sich in den nächsten Tagen alles aufklärt".
Der Vize-Leiter der US-Botschaft in Kiew, John Ginkel, wurde zu einem Gespräch ins ukrainische Außenministerium geladen. Bei dem Treffen habe die ukrainische Seite betont, dass "jede Verzögerung oder Zögerlichkeit bei der Unterstützung der Verteidigungsfähigkeiten der Ukraine den Aggressor nur dazu ermutigen würde, den Krieg fortzusetzen," hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums.
Der Kreml begrüßte die Entscheidung der USA. "Je weniger Waffen an die Ukraine geliefert werden, desto näher rückt das Ende der militärischen Spezialoperation", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in Moskau. Er verwendete dabei die offizielle russische Bezeichnung für den seit mehr als drei Jahren andauernden russischen Angriffskrieg.
Das ukrainische Verteidigungsministerium betonte hingegen, dass eine Beendigung des Kriegs nur erreicht werden "durch konsequenten und gemeinsamen Druck auf den Aggressor sowie durch fortgesetzte Unterstützung für die Ukraine".
Ein hochrangiger ukrainischer Militärvertreter äußerte sich gegenüber AFP besorgt über die Auswirkungen des Lieferstopps. Die Ukraine sei abhängig von US-Waffenlieferungen. Trotz der Unterstützung durch die europäischen Verbündeten "wird es schwierig sein für uns ohne amerikanische Munition".
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Anfang Juni vor massiven Auswirkungen für sein Land gewarnt, falls die USA die Unterstützung für die Ukraine kürzen oder ganz einstellen sollten.
Die Ankündigung des Weißen Hauses erfolgte nur wenige Tage nach einem Treffen zwischen Trump und Selenskyj beim Nato-Gipfel in Den Haag. Trump hatte dort Selenskyj gegenüber eine sehr vage Antwort auf die Frage nach einer Lieferung weiterer Patriot-Luftabwehrsysteme gegeben, die sich die Ukraine für ihren Verteidigungskrieg dringend wünscht. "Wir werden sehen, ob wir welche zur Verfügung stellen können. Sie sind sehr schwer zu bekommen", sagte Trump dazu.
Die Ukraine sieht sich derzeit verstärkten russischen Angriffen ausgesetzt. Die Anzahl der von Russland abgefeuerten Drohnen mit hoher Reichweite stieg im Juni im Monatsvergleich um 36,8 Prozent an, wie eine Analyse der AFP am Dienstag ergab. Die Angriffe stellen die Luftabwehr und die erschöpfte Zivilbevölkerung auf eine harte Probe, während die Gespräche zwischen Kiew und Moskau über eine Waffenruhe in dem seit mehr als drei Jahren andauernden Krieg stocken.
D.Marques--LiLuX